Zu faul zum Nichtstun by Horst Evers

Autor:Horst Evers [Evers, Horst]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644021396
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2024-09-17T00:00:00+00:00

Und Sie so?

Am Anfang war da dieses Geräusch. Plötzlich war es da. Die ganze erweiterte Familie hatte in der Küche gesessen, als auf einmal dieses Geräusch ertönte. Niemand wusste, was es ist. Wo es herkam. Und warum. Es hörte nicht auf. Erklang immer wieder. In regelmäßigen Abständen. Alle fingen an zu forschen. Guckten auf ihre Handys. Schauten in die Ecken. Aber nichts.

Das Ganze wurde ein bisschen unheimlich. Die ersten reagierten nervös. Die gesamte Familie hörte dieses Geräusch, aber niemand hatte die leiseste Ahnung, was es sein könnte. Bis endlich die Tochter ausrief:

«Es ist das Festnetz!»

Sie hatte recht. Jemand rief tatsächlich auf dem Festnetz an. Das war wirklich ewig nicht mehr passiert. Daher hatte also keiner das Geräusch erkannt. Und daher war es auch so unheimlich. Denn man muss dazu wissen: Die Letzten, die noch einigermaßen regelmäßig bei uns auf dem Festnetz angerufen hatten, waren meine Eltern gewesen. Die allerdings sind ja nun leider vor einiger Zeit verstorben. Weshalb man sich dann schon erschreckt, wenn auf einmal das Festnetz klingelt. Wo man sich logischerweise fragt: Gott, wie haben sie das denn jetzt wieder geschafft? Ich hätte ihnen ja viel zugetraut, aber das? Respekt. Das hat dann doch nochmal eine neue Qualität.

Daher haben natürlich auch alle in der Familie sofort gesagt: «Ich gehe da nicht ran! Nee, nee. Da gehst mal schön du ran. Du kennst sie am besten.»

Was ich dann auch gemacht habe.

Jedoch, um es vorwegzunehmen, es waren dann gar nicht meine Eltern. Ich war auch überrascht. Es war ein Meinungsforschungsinstitut. Hätte ich mir eigentlich denken können. Denn das ist ja, neben Eltern, die andere letzte große Gruppe, die nach wie vor gern auf dem Festnetz anruft. Warum genau, weiß ich nicht. Vermutlich haben sie einfach viele Festnetznummern in ihrer Datei oder rechnen sich auf diesem Weg bessere Chancen aus. Sie werden ihre Gründe haben. Kann mir aber auch egal sein. Denn ich gehöre zu den wahrscheinlich wenigen Menschen, die sich über diese Anrufe freuen.

Tatsächlich nehme ich nämlich sehr gerne an solchen Umfragen teil. Das war schon immer so. Ich finde es einfach spannend. Was wollen sie jetzt wieder wissen? Wie haben sie die Umfrage aufgebaut? Kann man schon erahnen, welche Antworten sie gerne hätten? Und, falls ja, wie reagieren sie, wenn sie die dann nicht bekommen?

Zudem habe ich ja auch immer sehr viel Meinung da. Persönlich. Meine Meinung reicht für ganz viele Umfragen. Die kann ich da alle mit bestücken. Teilweise habe ich sogar auch Meinungen da, wo ich froh bin, wenn ich sie los bin. Die können die alle gerne haben. Weshalb ich mich über diese Anrufe eben fast immer freue und das auch ganz offen zeige.

So auch in diesem Fall. Sobald er mir verraten hatte, dass er vom Meinungsforschungsinstitut «Und Sie so?» ist, habe ich ihm direkt zugejubelt. Habe gerufen:

«Oh, wie schön. Das ist super. Finde ich toll. Eine Meinungsumfrage. Das wird klasse. Gerade dachte ich noch, warum fragt mich nie einer. Aber jetzt geht’s los! Jetzt kriege ich meine Meinung los! Hoffentlich ist es eine ganz große Umfrage! Die ganz lange dauert! Ich hab Zeit!!!»

Viele legen dann ja direkt wieder auf.

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